Die Bundesregierung hat den Weg frei gemacht für eine Reform der ambulanten Versorgung. Am 22. Mai stimmte das Kabinett einem Gesetzentwurf namens „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ (GVSG) von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu. Es sieht vor allem bessere Arbeitsbedingungen für Hausärzt*innen vor. Das GVSG war zuvor um wesentliche Inhalte entkernt worden. Der SoVD sieht demzufolge erhebliche Lücken.
Parallel zur Krankenhausreform, die die Versorgung in Kliniken verbessern soll, zielt das GVSG auf die stärkere Absicherung der Gesundheitsversorgung in den Praxen vor Ort ab.
Hausärzt*innen sollen demnach größere finanzielle Spielräume erhalten. Geplant ist eine Entbudgetierung. Mit dieser entfallen – wie schon bei den Kinderärzt*innen – die Honorarobergrenzen bei der Vergütung. Ärzt*innen erhalten künftig mehr Geld, wenn sie mehr Patient*innen aufnehmen. Mehrarbeit soll somit sicher bezahlt werden, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist.
SoVD befürwortet Stärkung der hausärztlichen Versorgung
Eine neue „Vorhaltepauschale“ erhalten Praxen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Diese wurden noch nicht festgelegt. Haus- und Pflegeheimbesuche oder erweiterte Öffnungszeiten könnten dazu gehören. Auch den Zugang zu Arzterminen will Lauterbach erleichtern, unter anderem durch die Einführung einer Jahrespauschale zur Behandlung chronisch Kranker, die dauerhaft Medikamente einnehmen. Dies soll Quartalsbesuche zum Rezeptabholen beziehungsweise aus Abrechnungsgründen vermeiden und Kapazitäten für akute Behandlungsfälle schaffen.
Hier setzt einer der Kritikpunkte des SoVD an. Zwar befürwortet der Verband die Stärkung der hausärztlichen Versorgung – auch unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung. Dabei ist aus Sicht des Verbandes insbesondere die hausärztliche Grundversorgung wichtig. Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier warnt jedoch an diesem Punkt vor finanziellen Fehlanreizen: „Die jährliche Versorgungspauschale für chronisch kranke Menschen birgt die Gefahr einer Verschlechterung der ärztlichen Versorgung gerade für besonders betreuungsintensive Patient*innen.“
Psychotherapie für Kinder und Jugendliche erleichtern
Ausdrückliche Zustimmung findet hingegen das Vorhaben, die psychotherapeutische Versorgung auf dem Gesetzesweg zu stärken. Das soll vor allem Kindern und Jugendlichen den Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen erleichtern. Bei der Beantragung von Kurzzeittherapien sind hierzu entsprechende „Vereinfachungen und Flexibilisierungen“ vorgesehen.
„Dies sind gute Schritte zur Verbesserung“, stellt Michaela Engelmeier fest. Daneben sei aber auch eine weitere Stärkung der allgemeinen psychotherapeutischen Versorgung wichtig: „Immer mehr Menschen brauchen Hilfe. Neben der Therapie müssten deshalb auch Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung psychischer Erkrankungen kurzfristig greifen können.“
Ebenso befürwortet der SoVD eine den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) betreffende gesetzliche Neuerung. Demnach sollen Patientenvertreter*innen und auch Pflegekräfte im zentralen Selbstverwaltungsorgan des Gesundheitswesens endlich mehr Mitspracherecht erhalten.
Gesundheitskioske wieder ins Spiel bringen
Hinsichtlich der Stärkung der ambulanten Versorgungsstruktur insgesamt sieht der SoVD erhebliche Lücken, nachdem wesentliche, im ursprünglichen Entwurf enthaltene Regelungen vor der Beratung im Kabinett gestrichen wurden. So möchte Lauterbach zwar weiterhin die Gründung von kommunalen medizinischen Versorgungszentren (MVZ) stärken.
Aber die Einführung von Gesundheitskiosken, die niedrigschwellige Anlaufstellen in unterversorgten ländlichen Gebieten oder strukturschwachen Stadtvierteln bilden sollten, steht nicht mehr im Gesetzentwurf. „Patient*innen mit besonderem Unterstützungsbedarf muss stärker geholfen und die Versorgung besser koordiniert werden. Die Gesundheitskioske könnten in benachteiligten Regionen helfen, dies zu kompensieren“, sagt dazu Engelmeier. Ohne die Stärkung der ambulanten Versorgungsstruktur werde das Gesetz seinem Namen kaum gerecht. „Wir hoffen, dass die Regelung im parlamentarischen Verfahren wieder ins Gesetz aufgenommen wird.“
Die SoVD-Vorstandsvorsitzende betont, dass eine Vernetzung mit bestehenden Strukturen und Netzwerken nötig sei, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Soweit Gesundheitskioske unabhängig vom Versicherungsstatus und vermehrt zur sozialen Situation berieten, müsse sich das auch bei der Finanzierung widerspiegeln. Ein zu hoher Kostenanteil der Beitragszahlenden sei nicht gerechtfertigt: „Für Sozialarbeit sind die Kommunen verantwortlich, nicht die Beitragszahlenden.“
Immer mehr Ärzt*innen gehen in den Ruhestand
Das ambulante Versorgungsnetz dünnt immer mehr aus, weil viele niedergelassene Hausärzt*innen der geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Bundesweit liegt der Anteil der Ärzt*innen, die mindestens 65 Jahre alt sind, bei 16,2 Prozent. Ein Förderprogramm für zusätzliche Medizinstudienplätze wurde aus Kostengründen gestrichen.